Der Neuntöter vom Nüsttal – Kampf gegen Büsche zwischen Geisa & Hünfeld

Gastbeitrag von Nadja Moalem

Selten, bunt und extrem artenreich: Mit ihren knapp 13 Hektar Kalkmagerrasen verfügt die Gemeinde Nüsttal zwischen Geisa und Hünfeld über einen wertvollen botanischen Schatz, der zu den arten- und blütenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas zählt.

Ihn zu erhalten und für Vogelarten wie den Neuntöter zu verbessern, ist ein Ziel des LIFE-Projekts Rhöner Bergwiesen.

Nachdem im vergangenen Jahr Linsberg, Malhauk und Elzbachsrain bearbeitet wurden, sind in diesem Jahr der Betzenrain und der Ellersrain an der Reihe.

Wie auf vielen anderen Flächen der artenreichen Kalkmagerrasen sind auch hier die Folgen des landwirtschaftlichen Wandels in den vergangenen hundert Jahren eindrucksvoll sichtbar geworden.

Natura 2000-Managerin Kristine Schmitt vom LIFE-Projekt, Ranger Arnold Will und Bio-Landwirt Josef Möller (v. l.) am frisch bearbeiteten Ellersrain in Oberaschenbach. Hier soll neuer Kalkmagerrasen entstehen.

Wo ab dem Frühjahr eigentlich alles bunt blühen, brummen und summen sollte, haben sich Büsche ausgebreitet. Kristine Schmitt vom LIFE-Projekt Rhöner Bergwiesen erklärt das Problem:

„Die traditionelle Nutzung aus Heugewinnung und Beweidung lohnt sich an diesen steilen Hangla-gen nicht mehr für die Landwirte. Daher verbuschen die Flächen, die an die Nutzung angepassten Arten auf den nährstoffarmen Böden verschwinden.“

Dabei stehen Kalkmagerrasen aufgrund ihrer enormen Vielfalt an seltenen Arten, die sogar Orchideen hervorbringt, unter besonderem Schutz der EU. Das 2016 gestartete LIFE-Projekt Rhöner Bergwiesen im UNE-SCO-Biosphärenreservat Rhön nimmt sich dieser Verpflichtung an.

Nüsttal ist wegen seines Bestands an Kalkmagerrasen ein Schwerpunktgebiet. Während der Betzenrain offiziell noch als Kalkmagerrasen gilt, soll sich am Ellersrain dieser Lebensraumtyp erst entwickeln.

„Unsere Maßnahmen konzentrieren sich an beiden Standorten zunächst auf Entbuschung“, erklärt Ranger Arnold Will, der die Arbeiten in Nüsttal betreut hat.

Gerade das großflächige maschinelle Entfernen von Gehölz rufe bei Spaziergängern oft Unverständnis hervor. Auf den ersten Blick sei nicht einzusehen, dass Rodungsarbeiten dem Naturschutz dienen.

Durch das Freischneiden der Landschaft bleibt Lebensraum aber genau für die Arten erhalten, die auf die offenen Flächen angewiesen sind. Einer von ihnen ist der Neuntöter.

Der Lebensraum des Neuntöters schwindet auch in der Rhön immer mehr.

Der hübsche Vogel mit der schwarzen Augenbinde klingt wie ein Serienkiller, benötigt aber selber Schutz. Zwischen 2006 und 2015 ist der Bestand im Vogelschutzgebiet Hessische Rhön stark eingebrochen. Wie es aktuell um die Art bestellt ist, soll das laufende Monitoring klären.

Fest steht: Sein Lebensraum schwindet immer weiter. Diesen auch für viele andere bedrohte Arten zu verbessern, ist ein Ziel des LIFE-Projekts. Der Würger bevorzugt vielfältig strukturierte halboffene Landschaften mit insektenreichem Grünland in direkter Nachbarschaft. Er brütet gern in dornigen Sträuchern.

Seine aus kleinen Wirbeltieren und Insekten bestehende Beute spießt er als Vorratslager auf Dornen auf. Auf den südexponierten Kalkmagerrasen, die sich an Ellers- und Betzenrain entwickeln sollen, findet er, was er braucht. Damit der Neuntöter sich wohlfühlt, werden nicht alle Büsche entfernt, sondern bewusst einzelne Gehölze stehen gelassen.

Über die „Aufräumarbeiten“ am Ellersrain freut sich auch Eigentümer Josef Möller aus Oberaschenbach. Durch die Verbuschung war die Fläche für den Bio-Landwirt kaum zu nutzen. Die Weide darunter dient als Portionsweide für seine Mutterkuhhaltung.

Da die Tiere nur zweimal im Jahr für jeweils eine Woche auf der Fläche sind und weder gedüngt noch gemäht wird, kann sich auch hier ein artenreiches Nahrungsbiotop für den Neuntöter entwickeln.

Mit ersten Blühwundern am Betzenrain rechnet LIFE-Mitarbeiterin Kristine Schmitt bereits in diesem Frühjahr. Schon jetzt seien typische Pflanzen der Magerstandorte wie Thymian, Fingerkraut und sogar Orchideen zu sehen.

Am Ellersrain wird es vermutlich ein paar Jahre dauern, bis sich ein Blütenteppich zeigt, wie ihn nur Kalkmagerrasen hervorbringen. Dem allgegenwärtigen Artensterben die Stirn zu bieten, dafür lohnt es sich allemal.